
31
EMRK herbeiführen
40
. Jugendstrafverfahren haben ebenfalls die Garantien des Art. 6 EMRK
einzuhalten
41
.
12 Das Urteil Demicoli
42
macht auf das besondere Problem der parlamentarischen
Straf- und Verwaltungsrechtspflege aufmerksam. Danach sind abschliessende Strafkompetenzen
des Parlamentes unzulässig, vielmehr muss ein parlamentarischer Strafentscheid vor ein Gericht
gebracht werden können. Dem könnte etwa die Regelung des Art. 20 KV GE widersprechen,
wonach der Präsident eines Genfer Parlamentes eine Person, die sich eines "grave manque de
respect" schuldig macht oder der "désordre ou tumulte" vorgeworfen wird, maximal 24 Stunden
in Haft setzen kann
43
. U.U. handelt es sich um eine strafrechtliche Sanktionierung verpönten
Verhaltens. Ein Tag Haft ist im Sinne von Art. 6-1 EMRK bereits eine erhebliche Strafe, die
sich zudem an die Allgemeinheit richtet. Ist Art. 6 EMRK anwendbar, so verletzt diese Ordnung
den in Art. 6-1 EMRK garantierten Gerichtszugang, da der Parlamentspräsident abschliessend
befindet
44
.
13 Wieweit die Nebenstrafen des Art. 51-56 StGB ebenfalls den Garantien des Art.
6-1 EMRK unterliegen, ist schwer zu entscheiden
45
. Die Frage ist aber insofern belanglos, als
40
Vgl. Sachverhalt des Urteils Belilos, ECHR Series A 132, § 62; Urteil Öztürk, ECHR Series A 73, §§ 50-54.
Der Kanton Waadt hat als Folge des Urteils Belilos die entsprechende "loi du 17 novembre 1969 sur les
sentences municipales" mit Inkraftsetzung per 2.5.1989 revidiert und eine gerichtliche Überprüfung der Tat-
sachen- und Rechtsfragen eingeführt (N. 90, S. 93, Anm. 8), vgl. die Resolution DH (89) 24 des
Ministerkomitees v. 19.9.1989, VPB 1989 IV Nr. 64-D; Weh, Anwendungsbereich 447.
41
B 13924/88, Erik Hans Nortier v. Netherlands, §§ 50ff (unbestritten, vgl. auch NQHR 1992 503f, anhängig);
BGE 108 Ia 90 (unbestritten); Hottelier Michel, Le droit des mineurs d'être jugés par un tribunal impartial au
sens de l'art. 6 par. 1er CEDH, Semaine Judiciaire 1989 133ff; a.A. vgl. Bolle Pierre-Henri, La notion helvétique
de tribunal indépendant et impartial, Revue de science criminelle et droit pénal comparé 1990 753ff, insb. S.
762f und Anm. 44-48.
42
ECHR Series A 210. Im E 17073/90, X. gegen Österreich, ÖJZ 1992 845, stellte ein Untersuchungsausschuss
des österreichischen Parlamentes die politische und administrative Verantwortlichkeit für die Umgehung der
Kriegsmaterialausfuhrverbote fest. Die Kommission sah darin kein verschleiertes Strafverfahren und hielt Art. 6
EMRK für unanwendbar (unzulässig erklärt).
43
Vgl. genauer Art. 20 Abs. 2 KV GE, wonach Präsidenten weiterer Behörden dafür zuständig sind; soweit es sich
um Gerichtspräsidenten handelt, ist die Vorschrift weniger problematisch. Eine ähnliche Vorschrift nennt Art.
118 Abs. 3 des Gesetzes v. 15.5.1979 über das Reglement des Grossen Rates des Kantons Freiburg, sGS 121.1.,
wobei hier die Verhaftung und Überweisung an die Gerichtsbehörden genannt ist; also in der Meinung, dass ein
ordentliches Strafverfahren (z.B. wegen Sachbeschädigung usw.) durchgeführt wird. Insofern wäre die Vor-
schrift unbedenklich. Die meisten Kantone und der Bund sehen bei Tumulten die Wegweisung des Publikums
aus dem Ratssaal vor, was unproblematisch ist, vgl. Art. 52 Abs. 4 des Geschäftsreglementes des Nationalrates
v. 22.6.1990, SR 171.14 und Art. 44 Abs. 3 des Geschäftsreglementes des Ständerates v. 24.9.1986, SR 171.14,
Art. 36 und 76ff des st. gallischen Grossratsreglementes v. 24.10.1979, sGS 131.11.
44
A.A. Gewährleistungsbotschaft, BBl 1978 I 1284f; 1978 konnte man die Entwicklung dieser Rechtsprechung
aber noch nicht unbedingt voraussehen.
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Es ist zweifelhaft, ob es sich wirklich um Strafen und nicht um Massnahmen handelt, vgl. Stratenwerth Günter,
Schweizerisches Strafrecht, AT II, Bern 1989, S. 26ff; Trechsel, Kommentar, N. 1 zu vor Art. 51 StGB.