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Rückversetzung im Amt, Versetzung in das provisorische Dienstverhältnis und als schwerste
Sanktion die disziplinarische Entlassung
53
zur Verfügung. Bei diesen Disziplinarsanktionen hat
die Kommission die Anwendung des Art. 6-1 EMRK abgelehnt.
Der Verweis ist selbst dann keine strafrechtliche Reaktion
54
, wenn er die Ehre des Beamten
tangiert
55
; ebensowenig ist die disziplinarische Busse als strafrechtliche Sanktion anzusehen
56
.
Schwieriger ist die Frage zu beurteilen, wie bei Beamten und Lehrern die Disziplinarmassnahme
der Besoldungskürzung zu bewerten ist. In der Wirkung ebenso einschneidend wie eine Busse
hat sie dennoch keinen typisch strafrechtlichen Charakter
57
.
Die disziplinarische Entlassung von Beamten ist nach der aktuellen Rechtsprechung der
Konventionsorgane ebenfalls keine strafrechtliche Sanktion
58
. M.E. müsste sie als
schwerwiegende Massnahme einer Gerichtskontrolle gemäss Art. 6-1 EMRK unterliegen
59
.
Nach den drei im Falle Engel entwickelten Gesichtspunkten besteht m.E. ein grosses Bedürfnis,
dass zumindest die schwere Disziplinarsanktion der Entlassung als strafrechtliche Anklage
gewertet wird. Denn die öffentlichen Bediensteten stellen eine grosse Bevölkerungskategorie
dar; die nationale Zuordnung zum Disziplinarrecht kann nicht entscheidend sein.
Beim beamtenrechtlichen Disziplinarrecht ist allerdings die A/jointfilesconvert/312451/bgrenzung zum "zivilrechtlichen"
Anwendungsbereich des Art. 6-1 EMRK nicht einfach. Namentlich das Urteil Editions
Périscope
60
könnte nun dazu führen, dass sämtliche pekuniären Disziplinarmassnahmen
53
Vgl. die in diesem Sinne für das schweizerische Recht typische Regelung des Art. 31 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 30.6.1927 über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten, SR 172.221.10. Als
Disziplinarsanktion steht jedoch die Freiheitsstrafe nicht zur Verfügung, diese Sanktion wäre beim
Beamtenrecht schwer vorstellbar, vgl. Stavros, Guarantees 22. Vgl. zum Beamtenrecht auch N. 35.
54
Vgl. E 17089/90 gegen Österreich, ÖJZ 1992 162; vgl. auch BGr v. 15.11.1990, BVR 1991 429f.
55
E 10293/83, B. v. United Kingdom, DR 45, 41.
56
E 10365/83, S. v. Germany, DR 39, 237; im Sachverhalt ging es um eine Geldbusse von DM 4000.- wegen
Anstiftung zu ungesetzlichem Streik.
57
E 12873/87 gegen Österreich, ÖJZ 1990 126, Gehaltskürzung von 25% während dreier Jahre.
58
E 15965/90, X. c. Espagne (Abberufung eines Richters wegen disziplinarischer Verfehlungen ist keine
strafrechtliche Anklage). In etlichen Fällen sah die Kommission die Entlassung von Staatsangestellten weder als
strafrechtliche Anklage noch als zivilrechtliche Streitigkeit an (vgl. N. 35, S. 36, Anm. 1 zu weiteren Fällen, die
nur unter letzterem Gesichtspunkt geprüft wurden), vgl. z.B.: E 734/60, X. v. Germany, CD 6, 29; E 9799/82, C.
c. Suisse, VPB 1986 Nr. 99 (Beamter der Stadtwerke von L.); E 10582/83, P. v. Portugal, DR 40, 271 (dem
öffentlichen Dienst anzugehören oder als Bediensteter entlassen zu werden betrifft kein "ziviles" Recht, eine
Entlassung stellt schon gar keine strafrechtliche Anklage dar); E 7374/76, X. v. Denmark, DR 5, 157 (Ein Pastor
der dänischen Staatskirche auferlegte den Eltern von Taufkindern, entgegen den Weisungen seiner
Vorgesetzten, den Besuch von fünf Stunden Religionsunterricht. Die erfolgte disziplinarische Entlassung wurde
weder als "Zivilstreitigkeit" noch als strafrechtliche Anklage gewertet.); E 8496/79, X. v. United Kingdom, DR
21, 168 (disziplinarische Entlassung eines Polizisten, der sich Kraftstoff "geborgt" hatte).
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Vgl. Stavros, Guarantees 22; Thürer, Verwaltungsverfahren 259 und die vorbildliche Regelung in Art. 16 Abs. 1
KV BE (die in der neuen Berner Verfassung, die am 6.6.1993 angenommen wurde, fehlt).
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Vgl. N. 37. Dazu kommt noch, dass sich das Beamtenrecht auf dem Weg der Angleichung an das
privatrechtliche Arbeitsrecht befindet, vgl. N. 35; damit würde der Sachbereich ganz dem "zivilrechtlichen"