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knapp 20 % der Gesamtbevölkerung (RUSSELL MERRITT in: Ballo (Hrsg.) 1976: S.
62f.)
9
.
1.6. Eroberung der Mittelschicht
Über das Publikum der Anfangszeit liegen zwar kaum exakte Studien vor, wie auch
Prokop feststellt (PROKOP 1982: S.64); aber der Großteil von ihnen kam aus den
Unterschichten, wie viele Filmgeschichten betonen.
»A Russell Sage survey revealed that in 1911, 78 percent of the New York audience consisted
of members >from the working class< at that time when the worker had been effectively
disenfranchised from the older arts« (RUSSELL MERRlTT in: Balio (Hrsg.) 1976: S. 63).
Merritt führt aus, daß es für sie meistens eine Flucht vor ihren schlechten Verhältnissen
bedeutete. »Movies offered the worker a chance to come in from the cold and sit in the
dark«. Er widerlegt das Argument, die Filme hätten zur Bildung amerikanischer Ideale
beigetragen und die Eingliederung der Einwanderer erleichtert. Zu der Zeit wurden
nämlich mehr Filme aus Frankreich importiert, als alle amerikanischen Majors zusammen
genommen auf den Markt brachten; erst der Erste Weltkrieg sollte dies ändern. Die
Betreiber waren nicht sonderlich an einfachen Arbeitern interessiert, sondern versuchten,
die Mittelklasse zu gewinnen, indem sie beispielsweise ihre Nickelodeons in immer
besseren Gegenden eröffneten und den Zutritt für Arbeiter zum Teil sogar untersagten.
Auf der anderen Seite gewährten sie Frauen und Kindern Eintritt zum halben Preis. Knight
datiert diesen Wechsel auf 1912 (KNIGHT 1979: S.46).
»By Fall 1913, the concerted effort had finally begun to pay dividends. As the comfortless thrills
of watching movies on wooden chairs gave way to deluxe motion picture theaters and as
movies lengthened from one to four reels, the movie clientele imperceptibly began to change
[ ... ] The climax came in June 1914, when a ten-reel version of Giovanni Pastrone's Cabiria
was shown at the White House to President Wilson, his family, and members of the cabinet«
(RUSSELL MERRITT in: Balio (Hrsg.) 1976: S.74f.).
Das Bemühen um gesellschaftliche Anerkennung muß vor dem Hintergrund immer
schärferer Angriffe von bürgerlicher und kirchlicher Seite gesehen werden. 1913 wurde
mit dem Regent Theater am Centralpark in New York der erste große Kinopalast eröffnet,
der neue Maßstäbe der Verbürgerlichung setzte, weil er in der Tat einem Opernhaus
9 Merrit weist darauf hin, daß der Eintritt in der Regel zehn Cent, und gerade nicht nur einen Nickel (5
Cent) betrug, geht aber leider nicht weiter darauf ein. Prokop datiert das 1. Nickelodeon auf 1902 in Los
Angeles (PROKOP 1988: S.50).
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