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lückenloser Gerichtsschutz gegen die Verwaltung. Nidwalden hat sich damit autonom - neun
Jahre vor dem Beitritt der Schweiz zur Konvention - zu einem wichtigen rechtsstaatlichen
Grundsatz bekannt.
97 Einige Kantone, die sich in den letzten Jahren eine neue Verfassung gegeben
haben, garantieren in offenbarer Anlehnung an Art. 20 VE einen Anspruch auf Rechts-
schutz
410
. Ein effektiver und nicht nur ein theoretisch möglicher Rechtsschutz in Ver-
waltungssachen beschränkt sich nicht auf eine verwaltungsinterne Rechtspflege, vielmehr
muss der Zugang zu einem unabhängigen und unparteiischen Verwaltungsrichter offen ste-
hen
411
. Der Anspruch auf Rechtsschutz garantiert somit neben den grundlegenden
Verfahrensrechten (rechtliches Gehör, prozessuales Armenrecht usw.), einen grundrechtlich
verbürgten Gerichtszugang
412
. In diesen Kantonen wird der Gesetzgeber - soweit dies nicht
schon geschehen ist - die institutionellen Vorkehren treffen müssen, damit der Gerichtszugang
verwirklicht wird. Andernfalls müsste das Bundesgericht auf staatsrechtliche Beschwerde hin
für die Durchsetzung dieses neuen Grundrechtes sorgen.
Umgekehrt wurde in einigen neuen Kantonsverfassungen bzw. Verfassungs-
entwürfen von einem Anspruch auf Rechtsschutz abgesehen, weil nicht
grundsätzlich alle Akte der Verwaltung einer Gerichtskontrolle unterstellt
werden wollten
413
.
410
§ 9 Abs. 1 KV BL; Art. 13 KV UR; Art. 18 Abs. 1 KV SO; § 13 KV TG; zukunftsweisend Art. 4 Abs. 1 Satz
des gescheiterten Verfassungsentwurfes vom 6.9.1968 für den wiedervereinigten Kanton Basel: "In Zivil- und
Strafsachen sowie in allen Streitigkeiten über die Beschränkung von Freiheitsrechten liegt der letzte Entscheid
beim Richter."
411
Vgl. N. 92.
412
Vgl. Bericht der Expertenkommission für die Vorbereitung einer Totalrevision der Bundesverfassung, Bern
1977, S. 49f; ausdrücklich Art. 8 Abs. 2 VE TI: "Ognuno può agire in giudizio a tutela dei propri diritti".
"Rechtsschutzgarantie" wird in der schweizerischen Terminologie mit Gerichtsschutzgarantie gleichgesetzt, vgl.
Beyeler Erwin, Das Recht auf den verfassungsmässigen Richter als Problem der Gesetzgebung, Diss. Zürich
1978, S. 39; Botschaft betreffend die Änderung des OG v. 29.5.1985, BBl 1985 II 782; Gutachten BJ, VPB 1985
III Nr. 36, S. 242; jedenfalls wäre ein nichtgerichtlicher, bloss verwaltungsinterner Rechtsschutz ungenügend.
Eine andere Auslegung könnte nur im Hinblick auf Art. 13 KV UR angenommen werden. Drei Jahre vor Erlass
der neuen Urner Verfassung hat das Volk die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit abgelehnt. Der Urner
Verfassungsrat wollte daran nichts ändern; nun hat aber das Urner Volk am 17.5.1992 die Einfügung eines Art.
105a KV UR (Verwaltungsgerichtsbarkeit) beschlossen. An einer zeitgemässen Auslegung von Art. 13 KV UR
als Rechtsschutzgarantie steht daher nichts mehr im Wege.
413
Der Anspruch auf Rechtsschutz fehlt namentlich in der neuen Aargauer, Glarner und jurassischen Verfassung. In
der neuen Berner Verfassung war bewusst von einem Anspruch auf Rechtsschutz a/jointfilesconvert/312451/bgesehen worden (vgl. noch
die früheren Fassung, z.B. Art. 21 Abs. 1 VE BE - A. Zaugg), weil "nicht in jedem Verfahren eine von der
Verwaltung unabhängige, richterliche Instanz" garantiert werden wollte, vgl. Art. 26 der am 6.6.1993 vom Volk
angenommenen und am 1.1.1995 in Kraft tretenden Verfassung, vgl. gemeinsamer Antrag von Verfassungskom-
mission und Regierungsrat, Verfassungssekretariat, Bern 31.1.1992, S. 78. Diese Bestimmung wurde als Art. 20
VE AR übernommen.