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Das war möglich, da die Filme nur wenige Minuten lang waren und Arbeitskräfte - meist
Frauen - billig waren.
»Als 1897 in Paris und später auch in London richtige Kolorierateliers mit bis zu fünfzig
Angestellten eingerichtet wurden, konnten tüchtige Frauen täglich acht bis neun Filmmeter mit
dem Pinsel einfärben. Jede Frau war für eine Farbe zuständig - bis zu sechs wurden Bildchen
für Bildchen aufgetragen« (KOSHOFER 1988: S. 15).
Oft waren es phantastische Filme, und die Farbe diente dazu, das Sensationelle
hervorzuheben. Sieht man heute diese frühen Werke, so fasziniert vor allem deren
orginelle und heute leider verlorengegangene Tricktechnik. Es folgte die
Professionalisierung und immer stärkere Industrialisierung der Filmproduktion. Nach der
Jahrhundertwende wurden die Filme länger; außerdem benötigte man immer mehr
Kopien. Die sich daraus ergebenden Probleme wurden ab 1905 dadurch gelöst, daß die
Filme mit Schablonen eingefärbt wurden. Dabei wurden bis zu sechs verschiedene
Farben nacheinander mit Bürsten aufgetragen, was zu erstaunlichen Ergebnissen führte.
Pathé entwickelte das Pathé-color-Verfahren, das bis 1928 angewendet wurde. Aber auch
Gaumont arbeitete in Frankreich damit, ebenso wie Robert Paul in England, Oskar Meßter
in Deutschland und die Italia-Filmgesellschaft in Turin. Allerdings war diese Art der
Einfärbung noch immer teuer und kompliziert.
Wesentlich simpler und deshalb beliebter war das Viragieren, das Einfärben einzelner
Szenen in einem bestimmten Ton. So bekamen Farben spezifische Bedeutung, die vom
Publikum entsprechend verstanden und erwartet wurde:
»Blau für Nacht, Kälte oder die christliche Seefahrt, Grün für Natur - natürlich besser ohne
Darsteller! -, Gelb für Zimmerbeleuchtung oder Abendszenen und Rot schließlich für Gefahr,
Feuer und Liebe« (KOSHOFER 1988: S.18).
Obwohl das Viragieren populär wurde, gab es ab 1908 unterschiedliche mechanisch-
optische Verfahren, die mit Filtern arbeiteten, die vor Kamera und Projektor rotierten.
Ähnlich wie bei den bisherigen Erfindungen erfolgten die Entwicklungen erneut auf
internationaler Ebene parallel in Frankreich, Deutschland, Amerika und England. »A
practical but overly cumbersome three-color process known as Kinemacolor was
introduced in England as early as 1908 (and used to photograph the Coronation in 1910)«
(KNIGHT 1976: S. 15). Dies setzte eine möglichst exakte Synchronisierung und
15 Reynaulds Film »Pauvre Pierrot« von 1891 wurde bei der Farb-Retrospektive der Berlinale am 13. 2.
1988 im Astor gezeigt. Dies war weltweit das erste Beispiel, dem Farbfilm eine Retrospektive zu widmen
und sich näher damit zu beschäftigen.
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