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Hinblick auf den Gerichtszugang unbedenklich, wenn es allein vom Willen des Betroffenen
abhängt, ob er das Gericht anrufen will oder nicht
323
. Ist es dem Betroffenen infolge eines
unverschuldeten Hindernisses nicht möglich, die zum Gerichtszugang geforderte Handlung
vorzunehmen, so muss nach Art. 6-1 EMRK - unabhängig von einer gesetzlichen Regelung
324
-
die Frist wiederhergestellt werden
325
,
326
.
enumerierten Fällen (z.B. Art. 41 i.V.m. Art. 59 Abs. 1 lit. a, Art. 42 i.V.m. Art. 59 Abs. 1 lit. b und Art. 59 Abs.
1 lit. c VRP SG, § 54 VRP TG, §§ 52-55 VRP AG) oder generell (vgl. z.B. § 148 VRP LU) an eine Gerichts-
instanz gelangt werden kann; entsprechendes gilt auch für die freiwillige Gerichtsbarkeit, vgl. Kley, Privatrecht
56ff m.w.H. oder die unbedenklichen Regelungen der Art. 128f (Strafbescheid) und Art. 131 StPO SG
(Einsprachemöglichkeit innert 14 Tagen, mit der Folge der gerichtlichen Beurteilung).
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Vgl. Urteil Deweer, ECHR Series A 35, §§ 48-54; der Beschwerdeführer hatte unter dem Zwang einer
vorläufigen Schliessung seiner Metzgerei eine Geldbusse bezahlen müssen und vermied dadurch ein
Strafverfahren. Er hatte damit nicht freiwillig auf ein ordentliches Verfahren und den Gerichtszugang verzichtet.
324
Welche im Regelfall meist besteht, vgl. z.B. Art. 35 OG, Art. 85 Abs. 1 GerG SG, § 31 VRP AG, § 36 VRP
LU.
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Vgl. E 16487/90 gegen Österreich, ÖJZ 1992 421ff; danach muss Personen, welche ohne Verschulden die
Weiterzugsfrist versäumt haben, ein angemessener Rechtsschutz zur Verfügung stehen, so z.B. durch die
Wiederherstellung der Frist, welche den Gerichtszugang erneut ermöglicht. Vgl. B 12129/86, Hennings gegen
Deutschland, §§ 49-51, EuGRZ 1992 277f; im Urteil Hennings v. Germany, ECHR Series A 251-A, § 26 kam
der Gerichtshof zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer darum besorgt sein muss, dass er die in seinem
Briefkasten befindliche Post tatsächlich erhält.
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Siehe zum parallelen Problem, ob überspitzter Formalismus im nationalen Rechtsmittelrecht eine Beschwerde
an die Kommission im Hinblick auf Art. 26 EMRK unzulässig macht: vgl. Trechsel, Menschenrechtsschutz